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«Anything goes» an der Tel Aviv Pride

Mannschaft-Redaktor Markus Stehle ist unterwegs auf einer LGBT-Pressereise in Tel Aviv. Die offene Atmosphäre und das bunt durchmischte Publikum an der Pride Parade haben ihn begeistert.

Tag zwei begann mit einem Besuch des «Tel Aviv Gay Center». Von hier aus werden die Pride und zahlreiche andere LGBT-Anlässe und Aktivitäten in der Stadt organisiert. Darüber hinaus werden im Gay Center Theaterstücke aufgeführt, Jung und Alt treffen sich im hauseigenen Café zu geselligem Beisammensein und auch eine Tagesstätte für Kinder von homosexuellen Eltern ist hier untergebracht.

Auf einem Sitzplatz gleich neben dem Zentrum wurden uns die «Tel Aviv Water Games 2015» vorgestellt – ein internationales LGBT-Sport- und Kulturfestival, das im kommenden Oktober stattfindet. Teams aus aller Welt werden sich eine Woche lang in Sportarten wie Wasser-, Fuss- oder Basketball, Schwimmen oder Beachvolley messen, wobei das Ganze vor allem Spass machen soll. Entsprechend reich wird in dieser Zeit auch das Kultur- und Partyangebot in der Stadt sein.


Tag 1 verpasst? Hier liest du den ersten Teil von Markus‘ Reiseblog.

Gestählte Körper im Wasserpark

Die Pride Parade war die Highlight der Pressereise. (Bild: Markus Stehle)
Die Pride Parade war das Highlight der Pressereise. (Bild: Markus Stehle)

Nach einer guten Stunde ging es weiter zu einem Wasserfreizeitpark, der in einem Kibbuz rund zehn Kilometer nördlich der Stadtgrenzen Tel Avivs erbaut wurde. Normalerweise beliebter Vergnügungsort für Familien, war der Park an diesem Tag – und anlässlich der Pride – zu einer Gay-Location umfunktioniert worden. Mit seinen verschiedenen Pools, einer Vielzahl an Wasserrutschen, Bars und Strandliegen war der Wasserpark das ideale Tummelfeld für ein sonnen- und partyhungriges, schwules Publikum. Der Anlass war auch ein Schaulaufen der Sportlichen und Schönen, die perfekt trainierte, eingeölte Körper präsentierten. Eine heterosexuelle italienische Kollegin war sowohl beeindruckt als auch sprachlos und konnte sich die Frage nicht verkneifen, ob denn diese Männer im Fitnesszentrum lebten oder auch einer Arbeit nachgingen? Jedenfalls waren wir uns einig, dass dem Auge einiges geboten wurde – und wer will sich da beklagen!


Am Abend durften wir ein hervorragendes Abendessen im Restaurant «Bindella» geniessen, das vom Zürcher Christian Bindella geführt wird. Vor dem Gaumenschmaus fand im hinteren Teil des Restaurants noch eine kurze Pressekonferenz mit Conchita Wurst statt. Höflich und gut gelaunt beantwortete sie die Fragen der Journalisten und betonte, wie sehr sie sich auf die Tel Aviv Pride freute.

Die Pride Parade als ausgelassenes Stadtfest
Tag Nummer drei, der Tag der grossen Parade. Diese war, um es vorwegzunehmen, das bisherige Highlight dieser Reise und übertraf meine Erwartungen bei weitem. Rund 180’000 Einheimische und Touristen nahmen daran teil und verwandelten die Stadt in eine gigantische, friedliche Party. Für mich persönlich war das Schönste an diesem Umzug, dass es nicht nur ein Anlass für Schwule, Lesben, Bisexuelle oder Transpersonen, sondern ein kunterbuntes, verrücktes und ausgelassenes Stadtfest für die gesamte Bevölkerung war. Genau so, wie es sein sollte. Viele Familien marschierten mit, Junge und [quote align=’right‘]Es ist ergreifend zu sehen, wie einträchtig und harmonisch hier eine ganze Stadt zusammen feiert.[/quote]Alte, Menschen jeglicher Herkunft und sexueller Orientierung. Kleine Kinder schwangen Regenbogenfahnen, auf den Schulten der Eltern sitzend, während daneben eine Drag-Queen daher schritt oder junge, leicht bekleidete Frauen ihre Tanzkünste präsentierten – zu den treibenden Klängen der Popmusik, die überall aus grossen Boxen dröhnten. Grossmütter schoben Kinderwagen vor sich her, während sich nebenan ein schwules Paar, mit Nietenhalsbändern und Lederhotpants bekleidet, ungeniert küsste. Im Sekundentakt wurden Glitzerbomben gezündet, die Strassen waren ein Meer aus Farben, Fahnen und fröhlichen Menschen, getreu dem Motto «anything goes». Das Besondere war, dass nichts davon aufgesetzt oder künstlich wirkte. Diese Lockerheit, diese Lebensfreude und dieser entspannte Umgang mit dem «Anderssein», all dies wirkte hier wunderbar echt und natürlich.

Perfektes Ende: Beim Sandstrand von Tel Aviv löste sich der Umzug aus. (Bild: Markus Stehle)
Perfektes Ende: Beim Sandstrand von Tel Aviv löste sich der Umzug aus. (Bild: Markus Stehle)

Von der Innenstadt zog die Parade Richtung Meer, wo sie dann in die grosse Strandpromenade einbog. Dort trafen die Menschenmassen auf die Party-Fahrzeuge, von denen aus Tänzerinnen, Tänzer und Drag-Queens den Marschierenden weiter einheizten. Es war ein grandioser Anblick: das blaue Meer, der palmengesäumte Sandstrand und gleich daneben eine endlos scheinender Strom aus Menschen, die bei strahlendem Sonnenschein tanzten, lachten und das Leben genossen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Tel Aviv Pride Parade ein ganz besonderes Erlebnis war. Zum einen schlicht und einfach wegen des Spektakels, das die sie bot. Zum anderen war es aber auch ergreifend zu sehen, wie einträchtig und harmonisch hier eine ganze Stadt zusammen feierte. Zu Beginn der Reise hatte unser Guide einmal gesagt, dass in Tel Aviv nicht nur während dieser Woche «Pride» und Toleranz herrschten, sondern das ganze Jahr über. Nachdem ich Tel Aviv am heutigen Tag erleben durfte, bin ich von dieser Aussage noch überzeugter.

In diesem Sinne: Freuen wir uns auf den 20. Juni, wenn auch in Zürich gefeiert wird!


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