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Frust bei CDU-Schwulen: Ich trete aus!

„Ich werde vom Staat, vom Gesetzgeber diskriminiert“, klagt der ehemalige LSU-Aktivist Henning Niemann. „Ich habe nicht die gleichen Rechte wie andere Menschen. Alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien möchten das verändern, jedoch verhindert das ausschließlich die CDU/CSU. Ich darf nicht den Menschen heiraten den ich liebe, für den ich sorgen und einstehen will, in guten und in schlechten Zeiten.“

Niemann ist, man muss sagen: war CDU Mitglied und ehemaliger Beisitzer im Vorstand der nordrhein-westfälischen Schwulen und Lesben in der Union (LSU). Dort fühlt sich der konservative Schwule aber nicht mehr zu Hause. Spätestens als der NRW-Landeschef und designierte Ministerpräsident Armin Laschet im Wahlkampf behauptet hatte, das Grundgesetz enthalte ein Ehe-Verbot für Schwule und Lesben, war in Niemann endgültig der Entschluss gereift, erklärte er auf Facebook. Sein Austrittsgesuch hat er der Partei bereits Anfang Mai geschickt, erst jetzt wurde die Sache bekannt. Den Brief hatte er u.a. an die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker gesendet. Die hatte im März mit ihrer Definition der Ehe überrascht und viele Schwule und Lesben verärgert: Die Ehe sei „kein staatlicher Begriff“, so die christliche Politikerin, sondern ein kulturell-religiös vorgeprägter Begriff, der uns überhaupt nicht gehört“.

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Links: Rainer Zuber (Foto: CDU), rechts: Henning Niemann (Foto: Facebook)

[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Die Union verweigert sich, mit fadenscheinigen Argumenten, die Zivilehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.[/perfectpullquote]
Niemann ist nicht der einzige CDUler, der frustriert von der Partei abwendet. Erst im März war Rainer Zuber zurückgetreten, er war Landesvorsitzender der LSU in Hessen. „Die Union verweigert sich, mit fadenscheinigen Argumenten, die Zivilehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen“, hieß es in seinem Austrittschreiben. Zuber war bereits in den 80er Jahren der Jungen Union beigetreten und wurde 2004 CDU-Mitglied.


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Foto: Facebook/Rainer Zuber

Heute, drei Monate später, sagt Zuber gegenüber der Mannschaft, er habe seinen Austritt in keinster Weise bereut. „Ich fühle mich sogar besser, da ich jetzt sagen kann, was mir auf dem Herzen liegt und was alles falsch läuft.“

Frust als ständiger Begleiter

Der Bundesvorsitzende der LSU, Alexander Vogt, sagte in einer Stellungnahme auf Anfrage der Mannschaft: „Den Frust der Kollegen verstehe ich nur zu gut. Der ist mein ständiger Begleiter.“ Zubers Rücktritt als Landesvorsitzender der LSU Hessen habe eine „schmerzliche Lücke“ hinterlassen. „Aber er hatte tatsächlich den positiven Effekt, dass die CDU in Hessen aufgeschreckt ist und den Rücktritt auch mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen hat.“ Vogt wies auch daraufhin, dass man in beiden Unionsparteien „vielerorts einen Bewusstseinswechsel“ bewirkt habe – „auch wenn wir noch nicht dort sind, wo wir hin wollen.“ Grundsätzlich gelte, man dürfe den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.


Im Februar hatte sich in Niedersachsen der neunte Landesverband der LSU gegründet, Anfang Juni folgten die bayerischen CSU-Homosexuellen mit der Gründung des zehnten Landesverbandes.

[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Damit endlich als normal gilt, was normal ist.[/perfectpullquote]
Der abtrünnige Niemann schließt nicht aus, irgendwann wieder zur CDU zurückzukehren. Unter einer Voraussetzung, schreibt er. „Ich fordere die Öffnung der Ehe für alle, damit diese elende, verletzende und unnötige Diskriminierung ein Ende findet und wir homosexuellen Menschen aufhören können, ständig über unsere Sexualität reden zu müssen. Damit wir uns nicht immer wieder für unsere sexuelle Orientierung rechtfertigen müssen. Damit endlich auch das als normal gilt, was normal ist. Den Menschen zu heiraten, den man liebt und zu dem man steht, egal welches Geschlecht er hat. Werden Sie eine moderne Partei, öffnen Sie die Ehe für alle. Dann komme ich zurück, vorher nicht. Und ich bin sicher es kommen noch viel mehr dazu!“

Dass Mitglieder oder ganze Regionalverbände der LSU ihren Frust kundtun, ist keine neue Entwicklung. So blieben die Lesben und Schwulen aus der Union 2015 beispielsweise den CSDs in Hamburg und Braunschweig fern. Der Vorsitzende des LSU-Regionalverbands Nord, Christian Röbcke-Gronau erklärte damals: „Die Mitglieder der LSU Nord haben schlicht kein Einsehen mehr für die zögerliche Haltung der Bundes-CDU zur Gleichstellung von Eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe, um dann für diese Haltung auf den CSDs vor Ort gescholten zu werden.“


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