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5 Jahre nach Tod von Karl Lagerfeld: Neue Antworten auf alte Fragen

Viele Bücher und Dokus versprechen Einblicke in das Leben des schwulen Modemachers

Karl Lagerfeld
1979 (genaues Aufnahmedatum und Aufnahmeort unbekannt): Karl Lagerfeld am Zeichentisch (Bild: Roland Witschel/dpa)

Vor fünf Jahren starb Karl Lagerfeld, einer der Grössten der Modewelt. Und mit ihm eine Legende, die seit dem Tod des schwulen Fashion-Gurus immer mehr durchbrochen wird.

Von: Sabine Glaubitz, dpa

Karl Lagerfeld hat mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Mode mitbestimmt. Tweedstoff-Jacken poppte er mit Bändern und Fransen neu auf, kombinierte Haute Couture-Kleider zu Sneakers, entdeckte künftige Topmodels, machte Claudia Schiffer und später seine männliche Muse Baptiste Giabiconi zu Stars und schuf seine eigene Legende. Fünf Jahre nach dem Tod des gebürtigen Hamburgers am 19. Februar 2019 geben nun immer mehr Bücher und Dokumentarfilme neue Einblicke in sein Leben.

Karl Lagerfeld
29.07.1982, Hamburg: Karl Lagerfeld, aufgenommen bei der der Vorstellung seiner Duft-Creation «KL» (Bild: Werner Baum/dpa)

«Karl Lagerfeld: Révélation» (Karl Lagerfeld: Enthüllung) heisst der jüngste Dokumentarfilm, der vor wenigen Wochen in Frankreich auf Canal+ ausgestrahlt wurde. Er besteht aus vier Teilen von jeweils knapp 45 Minuten.


Kaum ausreichend für den im Alter von 85 Jahren verstorbenen Fashion-Guru. Denn Lagerfeld war Modezar, Fotograf, Filmemacher, Verleger – und vor allem ein Rätsel. Im Spiel mit Wahrheit und Lüge hat er sein Leben damit verbracht, sich neu zu erfinden. Doch warum nur?

Es erschien mir wesentlich und natürlich, nicht wie die anderen zu sein

«Es erschien mir wesentlich und natürlich, nicht wie die anderen zu sein» und «Ich verkaufe nur eine Fassade»: Zitate Lagerfelds, mit denen der vierteilige Dokumentarfilm beginnt. Umfangreiches Archivmaterial und die Aussagen zahlreicher ehemaliger Mitarbeiter, Journalisten, Models und Freunde wurden herangezogen, um mehr über das Leben des Couturiers mit seinem weiss gepuderten Pferdeschwanz zu erfahren, der sich zeitlebens hinter seiner Sonnenbrille versteckte.

Vieles im Leben von Lagerfeld, der Frankreich und Paris zu seiner Wahlheimat erkoren hatte, wurde in dem Dokumentarfilm neu beleuchtet, angefangen bei seiner Kindheit, die sich bereits von der anderer unterschied. Im Schulhof spielte er demnach nicht mit seinen gleichaltrigen Klassenkameraden, sondern zeichnete für die Mädchen Porträts und Kleider, weshalb er früh schon gehänselt wurde. Als Jugendlicher wurde er von älteren Schülern auf dem Nachhauseweg begleitet, um nicht von seinen Klassenkameraden verprügelt zu werden.



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Auch in Paris, wohin er 1952 kam, isolierte er sich von den anderen. In der Stadt der Mode verbrachte er den grössten Teil seiner Freizeit damit, durch die Strassen der Hauptstadt zu laufen und ins Kino zu gehen, um an seiner französischen Aussprache zu arbeiten. Sein Handwerk erlernte er nach dem Prinzip Learning by Doing, durch Praxis. Was danach folgte, ist allgemein bekannt: Eine Modekarriere, die er zunächst bei Balmain, Patou und Chloé begann, bevor er 1983 zu Chanel wechselte, wo er bis 2019 seine traumhaften Haute-Couture-Kreationen entwarf.

Archivbilder zeigen eine grosse Ähnlichkeit zwischen ihm und seiner 1978 verstorbenen Mutter Elisabeth, einer Schlüsselfigur in seinem Leben. Von ihr hatte er seine Sprüche. «Du siehst aus wie ich, nur weniger gut», hatte sie zu ihm gesagt. Auch das schnelle Sprechen hatte er sich demnach ihretwegen zugelegt. «Wenn du mit mir reden willst, dann streng dich an, oder sei ruhig. Dein Unfug verdient nicht mehr Zeit, also sprich schneller», zitiert er sie weiter.

Zeit seines Lebens nährte er Zweifel an seinem Alter und seiner Herkunft. Heute weiss man, dass er am 10. September 1933 geboren wurde, dem Jahr der Machtergreifung der Nazis, und nicht 1938, ein Datum, das lange kursierte. Als Beweis dafür lagen dem Dokumentarfilm sowohl die korrekt datierte Geburtsanzeige vor als auch die Geburtsurkunde, in der die zweite 3 von 1933 geschickt zu einer 8 geändert wurde. Wer das Datum umgeändert hat, bleibt in dem Film offen.

Karl Lagerfeld
29.11.1973, NRW: Modedesigner Karl Lagerfeld bei einer Auszeichnung inmitten einiger Models (Bild: Willi Bertram/dpa)

Deutsche waren im Nachkriegsfrankreich nicht gern gesehen, deshalb wollte sich Lagerfeld auch nicht mit einem Teil der Vergangenheit seiner Eltern identifizieren. Sein Vater war weder ein dänischer noch ein schwedischer Baron, sondern der wohlhabende Gründer der Milchmarke «Glücksklee», der mit den Nazis zusammengearbeitet hatte, um sein Geschäft bewahren zu können. Seine Mutter Elisabeth, eine Landratstochter aus dem Münsterland, trat hingegen zunächst aus Überzeugung in die Partei ein, wohl aus Begeisterung für deren Vorstellung von Ordnung, bevor sie 1941 ihre Meinung geändert haben soll.

 

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Vieles wurde in dem Dokumentarfilm entschlüsselt, ebenso vieles bleibt weiterhin ein Geheimnis, dazu gehört zweifellos sein Sexualleben. In einem Interview mit dem amerikanischen Lifestyle-Magazin «Vice» sagte Lagerfeld: «Ich schlafe nicht gern mit Menschen, die ich wirklich liebe. Ich möchte nicht mit ihnen schlafen, weil Sex nicht von Dauer sein kann.»


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Voraussichtlich in diesem Jahr soll die französische Mini-Serie «Kaiser Karl» bei Disney+ mit dem deutschen Schauspieler Daniel Brühl («Good Bye Lenin!», «Inglourious Basterds») in der Rolle des Mode-Maestros erscheinen. Wie der amerikanische Streaming-Dienst mitteilte, beginnt die Geschichte im Sommer 1972 und handelt von Lagerfelds Bestreben, Nachfolger der im Jahr zuvor verstorbenen Coco Chanel zu werden, damals die erfolgreichste französische Modeschöpferin.

In die Rolle von Jacques de Bascher, der die einzige grosse Liebe von Lagerfeld gewesen sein soll, wird der kanadische Schauspieler Théodore Pellerin («Einfach das Ende der Welt») schlüpfen. Der französische Dandy, der 1989 an den Folgen von Aids starb, betrog Lagerfeld mit seinem Kollegen und Rivalen Yves Saint Laurent. Die Beziehung zwischen den beiden soll turbulent gewesen sein. Lagerfeld hat sich darüber immer in Schweigen gehüllt.

Spätestens seit der Veröffentlichung des Schwulen-Dramas «All of us Strangers» sind die Schauspieler Andrew Scott und Paul Mescal in aller Munde. Im neuen Out-Magazin sprachen beide über die Liebe (MANNSCHAFT berichtete).


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