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«Ypsilons Rache» – Schock vor dem trans Coming-out

Nina Zermatten hat Lou Bihls Buch für uns gelesen

ypsilons rache
Bild: Unken Verlag

Kristian hat seine trans Identität bislang nur sporadisch und heimlich ausgelebt. Das will er in «Ypsilons Rache» ändern und beginnt mit Mitte Fünfzig ein lang ersehntes Sabbatical …

Der erste Absatz
Diesmal sah sie mir nicht in die Augen. «Professor Wolff ist gleich bei Ihnen», begrüsste mich die Chefsekretärin der urologischen Klinik. Minuten später federte Wolff in das Sprechzimmer, liess seine massige Gestalt in den ledergenoppten Drehsessel fallen und goss stilles Wasser aus einer Kristallkaraffe in zwei Gläser. Eines reichte er mir über den Tisch. «Leider ist es keine Prostatitis, sondern doch ein Karzinom.»

Das Genre
Pointierte Erzählung über die chaotische Achterbahnfahrt von Kristian Starck – Mitte 50, erfolgreicher Pathologe, kurz vor dem Coming-out als trans Frau, wäre da nicht die Schockdiagnose Prostata­krebs.

Die Handlung
Eigentlich hatte Kristian Starck alles geplant. Das Sabbatical sollte ein Neustart sein für das Leben als Kristina, die er bislang nur im Geheimen ausleben konnte und als die er nach seinem Coming-out leben wollte. Doch der Prostatakrebs macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Lohnt sich ein neues Leben als Frau, wenn die eigene Sterblichkeit an die Türe klopft? Wenn die biologische Männlichkeit einen davon abzuhalten scheint, das Äussere mit dem Inneren in Einklang zu bringen?


Ermutigt und unterstützt von seiner besten Freundin Alex vertagt Kristian vorerst Krebs- und Hormontherapie und begibt sich auf eine Reise, um den Kopf auszulüften. Teil seiner Odyssee sind seine demente Mutter, unbeholfene Studienfreund*innen und sein verdatterter Bruder Manfred. In Hamburg trifft er schliesslich die trans Frau Chloé, die sein Leben vollends auf den Kopf stellt und ihm Hoffnung auf die Zukunft macht.

Das Urteil
Die Gewissheit, dass der Körper nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt, heisst noch lange nicht, dass man vor Unsicherheiten und schwierigen Entscheidungen gefeit ist. Mit einer guten Portion Witz und Sarkasmus führt Lou Bihl den Leser*innen Kristians Ringen mit seinem Alter Ego Kristina vor Augen. Krebs, Coming-out und ein überfordertes Umfeld sind keine leichten Themen. Der Bogen gelingt der Autorin spielend leicht, so dass einem nicht viel übrigbleibt, als mit grosser Spannung Kristians langersehntem Neustart entgegenzufiebern.

Roman, 287 Seiten, Unken Verlag



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